Eine Schreibdroge gibt es nicht.

Wer einmal eine Analyse gemacht hat, der weiß wie lange eine Stunde werden kann. Wieviel da noch und immer noch ist, worüber man reden kann. Überrascht und wie aus einer Trance erweckt, erhebt man sich von der Liege und wankt schwachen Blickes zum Ausgang. Draußen empfängt einen die Welt in einem anderen Licht. Solche Lichtblicke sucht man normalerweise im Drogenkonsum, im Hasch oder LSD-Rausch oder Wodka Delirium, wenn es fürs andere nicht reicht.

Gibt es auch so etwas wie Schreibdrogen? Ich wüsste keine zu nennen. William S. Burroughs meinte, Marihuana sei die perfekte Schreibdroge. Mag sein. Die Wahrheit aber ist, wer schreibt, schreibt in jedem Zustand. Egal unter welchem Einfluss. Eine Droge, die mehr als andere das schreiben befördert, beflügelt, anregt, die gibt es folglich nicht. Es ist nicht nur hochgradig naiv das zu glauben, sondern auch respektlos dem ganzen schreibenden Gewerbe gegenüber. Glauben die doch wirklich, schreiben sei eine Art automatischer Reflex auf eine halbe Flasche Chianti vom Jacques Weindepot?

Jemand, der schreibt, ist doch kein Clown, verzeihen sie mal. Sollte ein Joint ein Grund sein? Die Leute sind die Leute. Glauben alles Mögliche. Viel schlimmer ist, dass die, die schreiben, diesen Unsinn teilweise selber glauben und verbreiten. Man muss ja nur einmal herumfragen, sich die Biographien anschauen. Da findet man Massen „angeblicher“ Beweise.

Es stimmt: ein Glas Wein, auch eine Flasche, leistet gute Gesellschaft. Und hier liefere ich ihnen den Beweis. Wer schreibt ist per definitionem einsam. Der Alkohol dient lediglich zur Verdrängung dieser Ausgangsdefinition — ohne Ausweg, möchte man fast sagen, aber ich lasse es. Ist verständlich, wer ist schon gerne einsam (ich unterlasse es auch auf Heideggers Unterscheidung der Zustände allein und einsam einzugehen). Wer also nicht gerne einsam ist, wer es nicht ausstehen und aushalten kann, der sollte am besten nicht schreiben. Schreiben ist ein einsames Geschäft, weil niemand dabei helfen kann, weil einem schlechterdings nicht zu helfen ist (ich sage das mit Absicht so, dass es klingt, man sei eine Art hoffnungsloser Fall.)

Guter Rat ist in Bezug auf das Schreiben nicht einfach teuer, es gibt schlechterdings keinen Rat. Weder von der Ehefrau, noch dem Freund, noch dem Analytiker oder dem Lehrer. Wer schreibt, der sucht den einen einsamen Ort für sein Schreiben. Den Weg dorthin kann er nur schreibend herausfinden.

Außer Drogenkonsum gibt es zahlreiche andere Wege, sich über die Einsamkeit hinwegzutäuschen. Das Geräusch einer befahrenen Straße, der Lärm im Café, die zischende Thermoskanne, der im Sommer ratternde Kühlschrank, das abendliche Stimmenkonzert im Häuserblock, das Zirpen der Grillen, das Meeresrauschen, eine Platte Miles Davis. Wer schreibt, ist erfinderisch, zweifelsohne, es beginnt mit der Ausgestaltung der eigenen Schreibumgebung und endet wer weiß wo …

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